zwei notizen von unterwegs:

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im zugabteil. weil alles vorbeifuhr und nach wenig schlaf die haut so weich und die netzhaut so empfindlich für alles licht und schon wieder ein abschied passierte, im zug zwischen berlin und woanders, auch da weinte er. die augen geschlossen während immer mehr wasser und der Sommer kamen, mit Angst, Langeweile, Einsamkeitsgefühlen.  sitzt  er also weinend im zug, nimmt die vorbeifahrende landschaft als metapher des verschwindens wahr und denkt, dass ich mich eben doch irgendwo festhalten mag und zu zweit in die welt schauen. erinnerung an gemeinsame ferien, zeit zu zweit, zweisamkeit als boden für die bodenlosigkeit des immer neuen, durch das er jetzt ja dauernd fliegt und das herz immer wie ein oktopus, will alle immer umarmen und weiß aber gar nicht wann und wie und er will sich in allen verlieren, wie ein insekt fast auf der haut der menschen wohnen, in ihrem geruch. überhaupt diese neu erwachte lust am geruch, die möglichkeit in sie zu tauchen, sogar vor der berührung der häute, felle, fleisch. kann ich dein fleisch berühren? wirst du fleisch, wenn ich dich berühre? können wir beide tiere werden? ist die zwei unvereinbar mit den vielen?  und natürlich schauten die leute auf den weinenden mann aber das sollen sie ruhig, ein weinender mann das tut ihnen gut, fast habe ich mich ein bisschen politisch gefühlt damit.
als die tränen vorbei waren geht er sich im zug-clo rasieren, weil ihm das einen intimen moment schenkt und während er mit kaltem wasser an der haut herumschabt, wünscht er sich Katy Perry zu werden, weil sie singt: Did you ever feel like a plastic bag? und er antwortet: Nein, leider nein aber vielleicht kann ich es lernen, wenn ich deiner Stimme zuhöre und mir vorstelle ich bin du und ja, plötzlich habe ich das gefühl ich habe ein anderes Geschlecht, ohne das ich recht wüsste, welches und ich rasiere mich so gründlich und dabei macht es ein quietschendes Geräusch, weil die Haut so eine ganz seltsame Struktur bekommt, porenfrei und darum berühre ich mich selbst und höre mir zu und merke ich bin nicht ich sondern du und in mir ein feuerwerk und da ist noch jemand anderes und ich also nicht mehr allein. Bist du das?
Zurück am Platz, beim Zeitungslesen über brennende Flüchtlingsheime muss er schon wieder heulen: Projektion der eigenen Heimatlosigkeit? Wo beginnt Ähnlichkeit?

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Es wird hell und die Vögel fangen an zu singen. Beim zähneputzen in dem zimmer, in dem er gerade untergekommen ist, will er alles schnell aufräumen, damit ordnung ist, beim aufwachen und aufstehen, was ja ohnehin schon schwer genug ist, von der waagrechten in die senkrechte, eins zwei drei. Aber dann denk ich: ne, jetzt bleibste mal stehen. Einfach nur zähneputzen. Konzentration. Das zahnfleisch und die borsten, das ist doch genug an information und erfahrung und der raum um dich, das fenster, der blick in die nachbarshäuser, der baum, der rahmen, die wand und ihre struktur. Einfach mal anschauen das angeblich bekannte neu entdecken, alles andere sind pseudohandlungen, die einen dann doch nur weiter weg aus der welt schleudern in irgendwelche metaebenen, schon wieder dieses wort. davon hatte ich doch gerade genug. Also stehenbleiben, atmen und sagen: das ist gut, dass ich hier stehe. Oder ein gedicht: kann ich ohne zu hause leben, wo kann es sein. in mir allein solls doch nicht sein. oder doch? home is where the heart is und ich verschenke mein herz an jedes zweite lächeln: walking on air. Das dachte er aber es stimmte nicht. Das bemerkte er später und traf das vorhaben, keine vorsichtsmaßnahmen zu treffen sondern offenheit und ehrlichkeit zu praktizieren. hohe anspüche an sich selbst zu stellen, ohne kompromiss inkonsequent sein.

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[...] Jede Zugfahrt erinnert mich an dich. Vor allem die Fahrten in den Süden durch Hannover, Kassel, Karlsruhe…Einmal auch die Nacht in München. Warum eigentlich München? Ich habe Fotos gemacht von diesem unentwegten Dazwischen meiner Fahrten. Bilder von verschwommenen Landschaften, Mitreisende, einmal ein alter Mann, der aussah wie Siegmund Freud, dann Graffitis, die Fuldaer Wachswerke, „habt euch lieb“ auf eine Wand gemalt, Menschen am Bahnsteig, verloren zwischen Geometrie aus Kabeln, Leitungen, Überdachungen. Aber in einem sind wir uns einig: 5 Stunden ist die Grenze, ab der das Zugfahren keinen Spaß mehr macht und nach zwei Wochen schwindet der Bezug zum Körper des anderen. Das Zugfahren führt regelrecht ins Herz unserer Beziehung und ist zugleich das, was sich immer wiederholt, in allen meinen Beziehungen. Liebesfahrten: Die Liebe liebt das Wandern. Ich liebe dich und ich liebe das fahren und reisen, die Abstände, das Nahekommen, Ankommen, das kaum jemals leicht war, mit von der Fahrt eingeschrumpftem Körper, der sich nur zögerlich öffnet, manchmal schmerzhaft vor lauter Ängsten, bis es wieder explodiert die ganze Freude und ein Wochenende unmöglich reicht, um das alles zu fassen und dann schon wieder wegzufahren, oft zu unmöglichen Zeiten, Bahnsteigszenen mit Tränen, echtem Schmerz und leuchtenden Herzen und Taschen voller Sandwiches, regelrechte Wunder, die wir uns gegenseitig bereiten, die besten Sandwiches, die irgendjemand sich überhaupt nur vorstellen kann. Adieu, Sandwich, auf Wiedersehen Fotos, adies Zugfahren.[...]